Eine Auswahl von Gedichten von Erich Kästner von denen das eine oder andere gut für den Bürgerchor geeignet sein könnte. Was haltet ihr davon? Gerne können andere Texte anderer Autoren vorgeschlagen werden.
Klären müssen wir in jedem Falle die Frage nach dem Urheberrecht sobald wir mit einem Text auftreten wollen. Doch zunächst für die interne Diskussion einige Vorschläge:
Was auch geschieht!
Was auch immer geschieht: Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken!
Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn? Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen! Dort stehn die Prokuristen stolz und kühn in den Büros, als wären es Kasernen.
Dort wachsen unterm Schlips Gefreitenknöpfe. Und unsichtbare Helme trägt man dort. Gesichter hat man dort, doch keine Köpfe. Und wer zu Bett geht, pflanzt sich auch schon fort!
Wenn dort ein Vorgesetzter etwas will - und es ist sein Beruf etwas zu wollen - steht der Verstand erst stramm und zweitens still. Die Augen rechts! Und mit dem Rückgrat rollen!
Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen und mit gezognem Scheitel auf die Welt. Dort wird man nicht als Zivilist geboren. Dort wird befördert, wer die Schnauze hält.
Kennst Du das Land? Es könnte glücklich sein. Es könnte glücklich sein und glücklich machen? Dort gibt es Äcker, Kohle, Stahl und Stein und Fleiß und Kraft und andre schöne Sachen.
Selbst Geist und Güte gibt's dort dann und wann! Und wahres Heldentum. Doch nicht bei vielen. Dort steckt ein Kind in jedem zweiten Mann. Das will mit Bleisoldaten spielen.
Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün. Was man auch baut - es werden stets Kasernen. Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn? Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt, behaart und mit böser Visage. Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt und die Welt asphaltiert und aufgestockt, bis zur dreißigsten Etage.
Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn, in zentralgeheizten Räumen. Da sitzen sie nun am Telefon. Und es herrscht noch genau derselbe Ton wie seinerzeit auf den Bäumen.
Sie hören weit. Sie sehen fern. Sie sind mit dem Weltall in Fühlung. Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern. Die Erde ist ein gebildeter Stern mit sehr viel Wasserspülung.
Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr. Sie jagen und züchten Mikroben. Sie versehn die Natur mit allem Komfort. Sie fliegen steil in den Himmel empor und bleiben zwei Wochen oben.
Was ihre Verdauung übrigläßt, das verarbeiten sie zu Watte. Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest. Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest, daß Cäsar Plattfüße hatte.
So haben sie mit dem Kopf und dem Mund Den Fortschritt der Menschheit geschaffen. Doch davon mal abgesehen und bei Lichte betrachtet sind sie im Grund noch immer die alten Affen.
Weihnachtslied – chemisch gereinigt
Morgen, Kinder, wird's nichts geben! Nur wer hat, kriegt noch geschenkt. Mutter schenkte Euch das Leben. Das genügt, wenn man's bedenkt. Einmal kommt auch Eure Zeit. Morgen ist's noch nicht so weit.
Doch ihr dürft nicht traurig werden. Reiche haben Armut gern. Gänsebraten macht Beschwerden. Puppen sind nicht mehr modern. Morgen kommt der Weihnachtsmann. Allerdings nur nebenan.
Lauft ein bißchen durch die Straßen! Dort gibt's Weihnachtsfest genug. Christentum, vom Turm geblasen, Macht die kleinsten Kinder klug. Kopf gut schütteln vor Gebrauch! Ohne Christbaum geht es auch.
Tannengrün mit Osrambirnen - Lernt drauf pfeifen! Werdet stolz! Reißt die Bretter von den Stirnen, Denn im Ofen fehlt's an Holz! Stille Nacht und heil'ge Nacht - Weint, wenn's geht, nicht! Sondern lacht!
Morgen, Kinder, wird's nichts geben! Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld! Morgen, Kinder, lernt für's Leben! Gott ist nicht allein dran schuld. Gottes Güte reicht so weit . . . . Ach, du liebe Weihnachtszeit!
Warum sind tausend Kilo eine Tonne? Warum ist drei mal drei nicht sieben? Warum dreht sich die Erde um die Sonne? Warum heißt Erna Erna statt Yvonne? Und warum hat das Luder nicht geschrieben?
Warum ist Professoren alles klar? Warum ist schwarzer Schlips zum Frack verboten? Warum erfährt man nie, wie alles war? Warum bleibt Gott grundsätzlich unsichtbar? Und warum reißen alte Herren Zoten?
Warum darf man sein Geld nicht selber machen? Warum bringt man sich nicht zuweilen um? Warum trägt man im Winter Wintersachen? Warum darf man, wenn jemand stirbt, nicht lachen? Und warum fragt der Mensch bei jedem Quark: WARUM?
Und als der nächste Krieg begann, da sagten die Frauen: Nein! und schlossen Bruder, Sohn und Mann fest in der Wohnung ein. Dann zogen sie in jedem Land, wohl vor des Hauptmanns Haus und hielten Stöcke in der Hand und holten die Kerle heraus. Sie legten jeden übers Knie, der diesen Krieg befahl: die Herren der Bank und Industrie, den Minister und General. Da brach so mancher Stock entzwei. Und manches Großmaul schwieg. In allen Ländern gab's Geschrei, und nirgends gab es Krieg. Die Frauen gingen dann wieder nach Haus, zum Bruder und Sohn und Mann, und sagten ihnen, der Krieg sei aus! Die Männer starrten zum Fenster hinaus und sahen die Frauen nicht an...
Einsam bist du sehr alleine. Aus der Wanduhr tropft die Zeit. Stehst am Fenster. Starrst auf Steine. Träumst von Liebe. Glaubst an keine. Kennst das Leben. Weißt Bescheid. Einsam bist du sehr alleine - und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.
Wünsche gehen auf die Freite. Glück ist ein verhexter Ort. Kommt dir nahe. Weicht zur Seite. Sucht vor Suchenden das Weite. Ist nie hier. Ist immer dort. Stehst am Fenster. Starrst auf Steine. Sehnsucht krallt sich in dein Kleid. Einsam bist du sehr alleine - und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.
Schenkst dich hin. Mit Haut und Haaren. Magst nicht bleiben, wer du bist. Liebe treibt die Welt zu Paaren. Wirst getrieben. Mußt erfahren, daß es nicht die Liebe ist ... Bist sogar im Kuß alleine. Aus der Wanduhr tropft die Zeit. Gehst ans Fenster. Starrst auf Steine. Brauchtest Liebe. Findest keine. Träumst vom Glück. Und lebst im Leid. Einsam bist du sehr alleine - und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.
Niedere Mathematik
Ist die Bosheit häufiger oder die Dummheit geläufiger? Mir sagte ein Kenner menschlicher Fehler folgenden Spruch: "Das eine ist ein Zähler das andere ein Nenner, das Ganze - ein Bruch!"
Allein ging jedem Alles schief. Da packte sie die Wut. Sie bildeten ein Kollektiv und glaubten, nun sei‘s gut. Sie blinzelten mit viel Geduld der Zukunft ins Gesicht. Es blieb, wie‘s war. Was war dran schuld? Die Rechnung stimmte nicht. Addiert die Null zehntausend Mal! Rechnet‘s nur gründlich aus! Multipliziert‘s mit jeder Zahl! Steht Kopf! Es bleibt euch keine Wahl: Zum Schluß kommt Null heraus.
Ein alter Mann geht vorüber
Ich war einmal ein Kind. Genau wie ihr. Ich war ein Mann. Und jetzt bin ich ein Greis. Die Zeit verging. Ich bin noch immer hier Und möchte gern vergessen, was ich weiß. Ich war ein Kind. Ein Mann. Nun bin ich mürbe. Wer lange lebt, hat eines Tags genug. Ich hätte nichts dagegen, wenn ich stürbe. Ich bin so müde. Andre nennen's klug.
Ach, ich sah manches Stück im Welttheater. Ich war einmal ein Kind, wie ihr es seid. Ich war einmal ein Mann. Ein Freund. Ein Vater. Und meistens war es schade um die Zeit... Ich könnte euch verschiedenes erzählen, Was nicht in euren Lesebüchern steht. Geschichten, welche im Geschichtsbuch fehlen, Sind immer die, um die sich alles dreht. Wir hatten Krieg. Wir sahen, wie er war. Wir litten Not und sah'n, wie sie entstand. Die großen Lügen wurden offenbar. Ich hab' ein paar der Lügner gut gekannt.
Ja, ich sah manches Stück im Welttheater. Ums Eintrittsgeld tut's mir noch heute leid. Ich war ein Kind. Ein Mann. Ein Freund. Ein Vater. Und meistens war es schade um die Zeit...
Wir hofften. Doch die Hoffnung war vermessen. Und die Vernunft blieb wie ein Stern entfernt. Die nach uns kamen, hatten schnell vergessen. Die nach uns kamen, hatten nichts gelernt. Sie hatten Krieg. Sie sahen, wie er war. Sie litten Not und sah'n, wie sie entstand. Die großen Lügen wurden offenbar. Die großen Lügen werden nie erkannt.
Und nun kommt ihr. Ich kann euch nichts vererben: Macht, was ihr wollt. Doch merkt euch dieses Wort: Vernunft muß sich ein jeder selbst erwerben, Und nur die Dummheit pflanzt sich gratis fort. Die Welt besteht aus Neid. Und Streit. Und Leid. Und meistens ist es schade um die Zeit.
Chor der Fräuleins
Wir hämmern auf die Schreibmaschinen.
Das ist genau, als spielten wir Klavier.
Wer Geld besitzt, braucht keines zu verdienen.
Wir haben keins. Drum hämmern wir.
Wir winden keine Jungfernkränze mehr.
Wir überwanden sie mit viel Vergnügen.
Zwar gibt es Herrn, die stört das sehr.
Die müssen wir belügen.
Zweimal pro Woche wird die Nacht
Mit Liebelei und heißem Mund
Als wär man Mann und Frau, verbracht.
Das ist so schön! und außerdem gesund.
Es wär nicht besser, wenn es anders wäre.
Uns braucht kein innrer Missionar zu retten!
Wer murmelt düster von verlorner Ehre?
Seid nur so treu wie wir, in euren Betten!
Nur wenn wir Kinder sehn, die lustig spielen
Und Bälle fangen mit Geschrei
Und weinen, wenn sie auf die Nase fielen –
Dann sind wir traurig. Doch das geht vorbei.
Ein Fräulein beklagt sich bitter
Ich bin sehr schön. Und bin als schön bekannt.
Fast jeder denkt bei mir an Botticelli.
Ich bin nicht hübsch. Und bin nicht intressant.
Nein, ich bin schön! Und dabei heiß ich elli.
Sobald ich wem zum erstenmal begegne,
so wird er fromm und schaut mich reuig an,
als bäte er darum, daß ich ihn segne…
Die Männer glauben, daß ich segnen kann.
So schön wie ich zu sein, ist kein Vergnügen.
So schön zu sein wie ich ist eine Qual!
Die Männer wählen mich zum Ideal.
Und wen sie ausersehn, der muß sich fügen.
Man sprach mich heilig, weil man es so wollte.
Und keiner fragte, ob ich heilig sei!
Ich bin ein Mädchen, und gesund dabei,
und weiß nicht recht, warum ich fromm sein sollte.